Was mich an stupefieds Argumentation vor allem stört ist ja, dass er (sie?) es so darstellt, als wäre das etwas völlig neues, was vorher noch keiner gemacht hat.
Das ist aber Quatsch, alle heiligen Texte, ob Bibel, Tanach, Koran, Veden, Upanishaden oder buddhistische Lehren, werden grundsätzlich und immer wieder geprüft, interpretiert, begutachtet, wieder überprüft und neu verstanden.
Die Menschheit entwickelt sich doch weiter! Wir können uns doch nicht einfach in den Fehlern unserer Ahnen verstricken, nur weil es lustig ist!
Wer sagt denn, dass sie Ahnen unserer Ahnen das wollten?
Und ich finde es eine unverschämtheit, modernen Juden vorzuwerfen, sie wüssten nicht, was orientalisches Denken ist und verstünden das nicht. Weißt du, @stupefied, wie oft Juden sämtlicher Richtungen das anderen vorwerfen?
Ich denke mal, die Leute wissen was sie tun.
Wer sind dann bitte diese dahergelaufenen Spätgeborenen (Christen), die behaupten, etwas gehöre hinein, von dem die Menschen, die es schon in ihrer Tradition tragen, wissen, dass das Buch eigentlich anders aussieht und diese Textstellen eben nicht hineingehören?
An der Ablehnung eines Gottes ist auch nichts pseudowissenschaftliches, im Gegenteil: Es IST wissenschaftlich. Wer sind denn diese Wissenschaftler, dass auch nur ein einziger von ihnen (und uns) sich herausnehmen dürfte, zu entscheiden, welche Religion recht hat und welche nicht?
Nein, Glaubensfragen gehören da überhaupt nicht hin, in die innere Theologie und in die innere Judaistik vielleicht, aber nicht in die Textwissenschaft.
Wir WISSEN doch gar nicht was unsere Altvorderen geglaubt haben, WIR HABEN DIE TEXTE NICHT!!!!!
Das sollten wir uns immer wieder ins Gedächtnis rufen, manche Leute vergessen das und daraus ist sehr viel Leid entstanden.
Die Aufgabe der Wissenschaften ist es, Fakten und wahrscheinliche Theorien zu sammeln, wenn sich keine Fakten erhalten lassen.
Es kann sein, dass irgendwo ein Textrumliegt, der beweisen könnte, dass es bei den alten Israeliten ein Wiedergeburtsglauben gab oder sonstige lustige Dinge. NICHTS ist fest. Wir können nur von Wahrscheinlichkeiten ausgehen.
Was mit diesen Wahrscheinlichkeiten gemacht wird, liegt bei den Gläubigen, aber das hat mit der Wissenschaft null und gar nichts zu tun.
Somit ist es die Pflicht, die Wahrheit offen zu legen, die möglichst autenthischen Texte und Botschaften zu finden, den gedachten Sinn. Das versucht die Exegese, aber sie hat Grenzen, daran knüpft die Interpretation an - und die ist mannigfaltig.
Nur so kann man von einer richtigen Religion ausgehen, wenn den Leuten egal ist woran sie glauben, warum treffen sie sich dann nicht zum Kaffeekränzchen statt in Kirche, Synagoge oder Moschee?
Es ist ihnen nicht egal, und darum sollten sie auch wissen, was ihre heiligen Texte eigentlich aussagen - was sie aussagen WOLLEN, da reden die religiösen Spezialisten (Priester, Rabbis etc.) einige Wörtchen mit.
Wenn man ansonsten sagen möchte "Wie sich die Religion verändert ist mir egal, ich nehm das, was grade da ist", ist das auch eine Möglichkeit - allerdings mach man sich damit zum Spielball der Mächte und zum willigen Schaf für jeden, dem es gelingt, Inhalte zu manipulieren. Das ist bei heiligen Texten kein Problem, viele lesen sie ja gar nicht, also kann man behaupten was man will (Westboro Baptist Church, anyone?).
Wenn es heißt, Jahwe Elohim steht vor Elohim, wer sagt das? Die Texte haben keine echte Reihenfolge abgesehen vom Alter, das wir nicht sicher wissen. Sie sind überall anders, die älteste Mischung, die wir haben, sind die mesoretischen Texte im Judentum, die in den Protestantismus übernommen wurden. Aber die innertextliche Anordnung ist noch lange nicht sicher, so lange wir keine Originale haben. Ich bezweifle, dass wir sie je bekommen werden.
Die Wissenschaft geht davon auss, dass Elohisten älter sind, das macht auch Sinn, denn Elohim war schon vor den Israeliten das Wort für Götter, die altisraelitischen Götter hatten nämlich keine Namen. Jahwe stammt aber eindeutig aus Midian, dort kamen die Israeliten aber erst später hin... während des Exodus. Moses wird als Mese in außerbiblische Quellen erwähnt (was sehr wichtig ist) und war wohl auch Ägypter (die Geschichte mit dem Bastkorb ist ohnehin von Osiris geklaut) dieser kam nach seiner Flucht nach Midian und lernte drt seine Frau kennen, deren Vater Priester Midians war. So kam er mit Jahwe in Kontakt. Die Israeliten ziehen im Exodus üer Midian hinweg, es gibt ein gemeinsames Opfer mit dem Schwiegervater und kurz darauf findet doch erst die OFFENBARUNG Jahwes an Mose statt- in Midian. In Exodus 3 werden die Vätergötter mit dem einen Gott vermischt. Die Judäer allerdings kannten Jahwe auch ohne Moses Einfluss, weil die Midianiter in direkter Nachbarschaft lebten. Die Keniter, deren Stammvater Kain ist, sind mit den Midianitern verwandt, der Priester, Moses Schwiegervater, wird auch als Keniter benannt. Die Gestalt des Mose, die teils historisch, aber doch stark mit literarischen Elementen bestückt ist, gilt als Bindeglied zwischen Ostjordan, Midian und Ägypten.
meinetwegen kann man gerne glauben, dass Jahwe zuerst da war. Aber das ist eben Glaubenssache, glauben ist nicht wissen. Die Wissenschaft weiß auchnichts, aber sie schätzt. Wir haben Hinweise, basteln eine Theorie (und grade beim Alten Testament sind da selbstverständlich auch Juden dabei, zumindest in der heutigen Exegese. Auch bei Qumran-Studien.) und nehmen die wahrscheinlichste Theorie.
Auch die Evolution ist NUR eine THEORIE. Allerdings eine sehr wahrscheinliche und eher nachweisbar als ein Gott. Wenn wir aber wüssten, dass es einen Gott gibt, könnten wir nicht mehr glauben und sämtliche Religionen in die Richtung wären am Ende, denn man soll ja an Gott glauben.
Das Phänomen haben wir auch im Internet, es geistern immer wieder Koransuren rum, die bestialisch sind, aber gar nicht existieren.
Genauso habe ich mit einigen anderen Gelehrten mit mehr Erfahrung vor einigen Monaten einen Kettenbrief auseinander genommen, der die Gräultaten des Christentums in der Bibel zeigen wollte und dass Jesus zu Grausamkeit, Massenmord und Infantizid aufriefe.
Herauskam, dass zum einen ein großer Teil aus dem Alten Testament stammte, dass einige Kriegsszenen enthält. Ist halt so. Das gilt schonmal nich, denn für Christen überschreiben die Regeln des Neuen Testaments die des Alten Testaments (was einige amerikanische Gemeinschaften gern vergessen.... "darf ich meine 14 jährige Tochter für 4 Stück Gold verkaufen?"). Ferner wurden einige Dinge aus dem Zusammenhang gerissen (aus Gleichnissen oder taten, die von anderen begangen wurden oder Taten, die verdammt wurden) und ein Drittel etwa *existierte* gar nicht, entweder nicht an der Stelle oder überhaupt nicht.
Das alles hätte sich feststellen lassen, wenn man die Bibel an den entsprechenden Stellen mal aufgeschlagen hätte. Aber nach Prinzip der Urban Legends: Die Menschen haben zu wenig Zeit, wollen aber trotzdem kommunizieren, and if it's true, it's important.
So verbreitet sich dieser Müll und alle glauben's, weil es keiner prüft. Früher lief das im größeren Stil ab.
@Peter
grundsätzlich kann ich dir aus meinem Studium berichten, dass sehr intensiv auf die orientalischen Verhältnisse eingegangen wird und auch wert darauf gelegt wird, dass wir Dozenten aus diesem Bereich bekommen. Die Dozenten aus dem Bereich Altes Testament waren bei uns oft Judaistiker, bei der Religionswissenschaft werden Seminare zum Judentum auch oft von Juden angeboten. Ferner gibt es auch viele außerunterrichtliche Veranstaltungen um ein besseres bonding zu gewährleisten und man ist eigentlich immer an Austausch interessiert.
Diese Abkapselung untereinander gab es an meiner Uni zum Glück nicht.
Bei Einzelpersonen kann man nichts machen. Ich wurde auch schon oft von Juden angegriffen (oder solchen, die sich als Juden ausgaben, im Internet weiß man ja nie) die meinten ich könne ja rein gar nichts sagen, weil ich keine Jüdin sei und auch kein orientalisches Denken hätte.
Ich gebe gerne zu, dass ich zum neueren Judentum sehr wenig sagen kann, weil es mich nicht groß interessiert hat und sich meine Kenntnisse irgendwann um 500 n. Chr. auslaufen.
Aber darum ging es diesen Leuten nicht, es ging eher um eine Art umgekehrten Rassismus. Als Nichtjüdin und noch dazu Deutsche könne ich ja schonmal gar nichts und sei generell bescheuert.
Zum Glück sind das nur wenige und ich kenne sehr viele Juden die wesentlich aufgeschlossener und offener sind und andere nicht einfach beschimpfen, sondern auch gerne über ihre Religion sprechen und daran interessiert sind, dass andere sie zumindest etwas verstehen. Ein wenig von "das verstehen nur wir" ist immer dabei, das ist verständlich, das gibt es bei den Christen und allen andern ja auch. Aber sie versuchen es, und das finde ich bewundernswert, denn es hilft der interreligiösen und interkulturrellen Kommunikation.
Es ist für die Situation aller einfach besser, sich nicht beleidigt abzukapseln und Gift zu spucken, sondern sich um ein gegenseitiges Verständnis zu bemühen.
Nur so funktioniert ein friedliches miteinander, wenn man sich nur gegenseitig anfeindet, kann daraus nichts gutes erwachsen.
Nun zu Ezechiel:
Ezechiel ist fies. Es ist auch nicht mein Spezialgebiet (ich habe mich bisher vor allem mit den Königen und 12 kleinen Propheten vergnügt)
Er wird um 593-573 eingeordnet. Es folgt dem generellen prophetischen Aufbau, heißt, erstmal Gerichtsworte (an Juda und andere Völker), dann Heilsversprechungen und ein wenig über den Tempel.
Nach Einordnung bekommt es also seinen guten Teil babylonisches Exil ab. Er liefert uns das Bild der Situation der deportierten judäischen Bevölkerung, man nimmt an, dass der Prophet, den wir Ezechiel nennen, gegen 597 nach Babylonien deportiert wurde und dieser Teil historisch gut verwertbar ist. Aus seiem beschriebenen Aufenthaltsort können wir schließen, dass die Exulanten eigene Siedlungen bewohnten (Ez 1,1.3; 3,15 etc.) dadurch war die Bewahrung der Identität möglich, aber die Zeit hat sich trotzdem stark auf die Texte ausgewirkt (mehr Millenarismus, verstärkter Zionismus obwohl Jerusalem zerstört worden war).
Die Leute stärkten sich durch Klagefeiern zur Erinnerung an die religiöse zionistische Tradition, diese große Hoffnung aufdie Rückkehr ins Gelobte Land drücken die Heilsprophetien jener Zeit aus (Ez. 33-48)
Wichtig erhalten sind auch Feier des 7. Tages und die Beschneidung, jedoch war das Opfer in Babylonien als einem unreinen Land nicht möglich (Ez. 4,13) und entsprechend Ez.11 gehen einige davon aus, dass hier der Wortgottesdienst entstand.
Ansonsten ein ganz typisches Buch, Pfui, ihr seid vom Weg abgekommen, Pfui alle andern bösen Völker, und dann einige Trostworte. Das Besondere ist der Tempelteil.
Eigentlich gibt es keine Probleme mit dem Buch, von denen ich wüsste. Ich kann nicht sagen, wie hoch das Buch in der Gunst der Kirchen steht, es ist aufgrund der Mystik natürlich ein Schmerznagel der sehr vorsichtig behandelt wird.
Er hatte sehr große Einflüsse auf die Kabbala und auch auf die christliche Mystik (Hildegard von Bingen etc. pp)
Die Stelle, die du meinst, ist wohl 1,4. Ich kann dir zu ihrer Interpretation leider nichts weiteres sagen, weil ich es selbst nicht weiß. Ich erinner mich aber gut, dass unser Dozent an jener Stelle sehr schmerzhaft zusammengezuckt ist
Sogar die Juden wissen offenbar nichts damit anzufangen, denn gemäß der Mischna darf man niemanden in der Einleitung Ezechiel unterrichten, wenn der Schüler nicht weise genug ist, den Stoff selbst zu verstehen.
Finde ich genial, so kann man sich aus der Affäre ziehen, erinnert mich an so manchen Mathelehrer "Wenn du das nicht verstehst, kann ich's dir auch nicht erklären."
Was wohl soviel heißt: Jeder kann interpretieren was er möchte. Wir können Ezechiel ja nicht befragen (leider, fände ich spannend) und es wird schwer rauszufinden was es mit der Stelle auf sich hat. Wir ich grade lese, hat sich Erich von Däniken wohl getraut und das ganze als Außerirdische interpretiert... schlimmer kanns nicht werden XD
Das ist leider alles was ich dir dazu sagen kann, ich kenn mich mit dem babylonischen Exil noch etwas aus, aber Ezechiel ist wahrlich nicht mein Gebiet.
Und nochmal zum Glauben...
meinetwegen kann jeder glauben was er will, so lang er niemanden weh tut. Wenn jemand die Bibel aus Spaß am Wort liest, aus Spaß an Spiritualität oder weil es ihm persönlich von Herzen wichtig ist, so würde ich niemanden hindern.
Im Diskurs muss niemand meiner Meinung sein, aber ich muss auch nicht die von anderen Teilen.
Ich würde mit meiner kritischen Ansicht niemanden vorschreiben was er zu glauben hat, ich werde nur zickig, wenn sich jemand mit falschen Argumenten gegen andere Menschen richtet und ihnen Schaden zufügen möchte.
Mein Anliegen ist es die Welt schöner zu machen, das habe ich persönlich für mich so entschieden. Ich möchte dabei mithelfen, dass sich die Kulturen gegenseitig besser verstehen. Dazu ist es wichtig, dass wir wissen, wovon wir reden und uns nicht aufgrund der irren Visionen Einzelner gegenseitig rund machen.
Was jeder in seinem stillen Kämmerlein glaubt, ist jedem selbst überlassen.
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