Wow. Da muss ich erst einmal tief durchatmen, nachdem ich den Comic gelesen habe. Ein harter Western, ein knallharter. Realistisch, mitleidslos, ohne Rücksicht auf Konventionen oder Erwartungshaltungen. Es ist die Zeit der Eisenbahnen, die die großen Viehtreks entbehrlich machen. Der alte Westen ist nur noch ein Mythos. Die Zeit der Cowboy-Romantik, falls es sie überhaupt je gegeben hat, ist definitiv vorbei. Die Viehtreiber werden nicht mehr gebraucht und aussortiert. Veränderung - oder soll man Fortschritt sagen? -ist das Stichwort der Stunde. Die Geburt des modernen Amerikas. Das hat auch Russell begriffen. Sein ehemaliger Barbier ist jetzt Banker in einer prosperierenden Stadt. Russell hat sich entschlossen, sesshaft zu werden. Zusammen mit seinem minderbegabten Ziehsohn Bennett und seinem „Vorarbeiter“ Kirby bricht er auf, um in Montana ein Stück Land zu erwerben. Auf dem Weg machen sie Rast in einem verschlafenen Nest, wo Bennett unter ungeklärten Umständen zu Tode kommt. Mit ihm stirbt auch die Zukunft von Russell. Er will nur noch Rache. Und einer wird für den Tod büßen müssen. Mit einer Bande von Outlaws belagert er die Stadt. Bis zum bitteren Ende.


Für mich das Highlight unter den Splittercomics im März. Die Story ist spannend, ergreifend, ernüchternd. Motive und Handlungsweisen der Personen werden plausibel und nachvollziehbar geschildert. Selbst Randfiguren bleiben nicht blass, sondern gewinnen sehr schnell an Kontur. Die niedrigen Instinkte werden hier zelebriert. Kapitalismus in seiner reinsten Form folgerichtig zu Ende gedacht. Erinnert mich etwas an Heaven’s Gate von Cimino. Kein Gut gegen Böse und am Ende reitet der Held in den Sonnenuntergang. Hier wird das Böse in allen Schattierungen gefeiert, bis sich herausstellt, dass so ziemlich jeder der Mitwirkenden eigentlich hehre Ziele hat. Antigone, in diesen Monat ebenfalls bei Splitter in der Reihe „Mythen der Antike“ erschienen, lässt grüßen. Tragik im Hegelschen Sinne, jedenfalls in der Interpretation von Luc Ferry. Profan ausgedrückt: Der Zweck heiligt die Mittel. Alles verschwimmt dann in Grautönen. Weder ein Held in strahlend weißer Rüstung, obwohl Kirby und die Lehrerin dem noch am nächsten kommen, noch ein abgrundtiefer Bösewicht, abgesehen vielleicht von Clifton. Zum Schluss gibt es einen Zeitsprung in der Erzählung. Ein überraschendes und versöhnliches Ende. Jedenfalls ein wenig.


Die Zeichnungen? Überragend gut. Selten so schöne, ausdrucksstarke Bilder gesehen. Die Mimik der Personen außergewöhnlich. Einen guten Eindruck von der Qualität bekommt man schon auf dem Cover zu sehen. Das Bonusmaterial großartig: Teilweise doppelseitige Zeichnungen, eine Covergalerie sowie eine Charakterstudie.


Fazit: Diese Perle sollte sich niemand entgehen lassen.