Da die Alben 1-10 (gesammelt in den Bänden 1-5 der Finix-Ausgabe) im Original als eine abgeschlossene Reihe geführt werden, habe ich jüngst beschlossen, die Reihe gleich zu lesen -- anstatt zu warten, bis Band 7 der Finix-Ausgabe erschienen ist. Ich hatte vor Jahrzehnten schon mit großem Interesse in die Splitter-Alt-Bände reingelesen, die aber optisch nicht überzeugen konnten. Deshalb habe ich gejubelt, als Finix sich an eine "richtige", also auch optisch befriedigende und vollständige Ausgabe von He-Pao machte.

Und ich war bei der jetzigen Lektüre von der ersten Seite an begeistert! Ja, das ist nicht mundgerecht erzählt, wie es ein Charlier vermutlich getan hätte, sondern ich hatte sofort den Eindruck, irgendeine altchinesische Novelle vor mir zu haben. Abenteuerstoff, sicher, aber eben mit einem Twist asiatischer Erzähltraditionen. Ich glaube, dass Leute in den Baumwipfeln fliegen und übermenschliche Kampfkunstkräfte besitzen, nennt sich Wuxia und hat nichts mit Superhelden zu tun. Ohne da sonderlich tief in der Materie drin zu sein, habe ich dafür eine Schwäche und freue mich über diese speuiell chinesische fantastische Zutat.

Und dass es in allen zehn Bänden so zentral um diese Kampfkunst oder vielmehr darum geht, dass sich die vollkommene Kampfkunst mit ihrem Ziel, nämlich der Gewaltlosigkeit, gar nicht vereinbaren lässt, hat mir besonders gut gefallen. Spannend ist hier ja nicht, wie die Protagonistin sich mit ihren Gegnern kloppt und sie bezwingt -- dass sie dabei selten um ihr Leben bangt, wird ja auch gezeigt --, sondern wie sie mit dem Gewaltpotenzial, das in ihr steckt, umgeht. Unglaublich stark -- für eine Abenteuergeschichte --, dass sie eben so gut wie nie -- zumindest in den späteren Bänden -- in eine Situation kommt, wo sie um den eigenen Kopf fürchtet, sondern vor allem um das Wohl anderer bangt. Nicht umsonst ist sie als Heilerin erzogen worden. Und dass ihre Gegner meist auch gar nicht sie selbst im Visier haben, sondern das Vermächtnis des verrückten Mönchs. Ehemalige Opfer des Mönchs, Leute, bei denen ihre Fähigkeiten Begierden oder Ängste wecken und die sie deswegen ausschalten oder manipulieren wollen. Oder sich daran messen wollen. Die Auseinandersetzung mit dieser Kampfkunst ist auch der Auslöser von He-Paos Reisen. Das ist aus Zack-Perspektive sicher ungewöhnlicher Abenteuerstoff, aber er passt wunderbar zum (wuxia-)historischen chinesischen Hintergrund, zum präsentierten Figurenensemble und selbst zu den Landschaften, in die Vink die Handlung so genial bettet.

Was ich Vink auch hoch anrechne, ist der Verzicht auf eine attraktive weibliche Hauptfigur. Das ist zur Abwechslung wirklich sehr wohltuend. Überdies kommt die Serie weitgehend ohne wirklich superfiese Bösewichte aus, und die Guten sind auch nicht perfekt, und letztlich ist es das beständige Infragestellen von He-Paos Fähigkeiten, was die Figur auf völlig unpatehtische Weise menschlich und sympathisch macht.

Mich hat die Erzählweise von He-Pao eher an diejenige von Okko oder Reisende im Wind erinnert. Ich finde es ganz schön, wenn einem nicht alles vorgekaut wird, sondern man sich als Leser bei einem angenehmen Maß an Offenheit auch mal selber was dabei denken darf.

Im Bereich pseudohistorischer, unterhaltsamer Abenteuercomics bekommt He-Pao von mir volle Punktzahl.