Zitat Zitat von BobCramer Beitrag anzeigen
Kann sein... aber genau diese "naiven" Abenteuergeschichten machen für mich den Charakter und den Charme der Serie aus. Die heutigen Autoren versuchen, die Geschichten komplexer, die Hauptfiguren vielschichtiger zu machen, indem ihr Privatleben und ihre Vergangenheit ausgeleuchtet werden. Mortimer hat jetzt plötzlich seine uneheliche Tochter im Schlepptau... Sowas war bei Jacobs nie relevant, die Figuren und das erzählerische Setting waren definiert und mussten nicht vielschichtiger werden oder sich weiterentwickeln. Man hatte Blake, man hatte Mortimer, man hatte das Appartment in der Park Lane. Und los ging's. Die kreative Leistung von E.P. bestand darin, in diesem definierten Rahmen gute Geschichten zu erzählen, was er bis Mitte der 60er Jahre auch geschafft hat. Die jetzigen Autoren, vor allem Sente, sehen es als ihre Aufgabe an, den erzählerischen Rahmen ständig zu erweitern. Bloß: Die Geschichten werden dadurch nicht automatisch besser oder spannender, vor allem, wenn dann Dan-Brown- und Indiana-Jones-Klischees verwurschtet werden.



Das stimmt schon. Ich habe jetzt nochmal verglichen und finde, dass Juillard deutlich nachgelassen hat. Der Stil von "Die Voronov-Intrige" ist viel plastischer und lebendiger als die flache, steife, uninspirierte Graphik von "Das Testament des William S.". Das Problem liegt sicherlich auch in der offensichtlichen Computerkolorierung der neueren Alben, das sieht doch ein bißchen wie "Malen nach Zahlen" aus. Man muss das nur mal mit der prachtvollen Kolorierung der Jacobs-Klassiker vergleichen. Auch hier hat der Meister bzw. haben die von ihm angeleiteten Koloristen extreme Sorgfalt walten lassen. Das ist klassisches Comichandwerk vom Feinsten.



Sagen wir mal so: Es ist eine Serie, in die vom Verlag viel investiert wird, damit sie von Comic-Profis auf einem handwerklich hohen Niveau fortgesetzt wird. Hier sind keine Amateure oder Stümper am Werk. Deshalb werde auch ich mir weiterhin die neuen B&M-Alben holen. Bloß wird halt nicht mehr die einzigartige Qualität der alten Klassiker erreicht.
Ja, in meinem Alter, als ich als Jugendlicher in der 1970ern diese "naiven" Geschichten entdecken durfte, da konnte ich auch auf die Edgar-Wallace-Verfilmungen "ähnlichen" Charakters zurückgreifen, auf Pierre Brice, Roger Coreman, ach, alles war für mich damals NEU. Ich mag das auch nicht: eine Tochter, irgendeine Verfehlung in der Ausbildung und so … seit einigen Jahren kann ich daher auch dem TATORT nicht mehr wirklich was abgewinnen. Liegt es daran, dass die Autoren schon jahrelange Psychotherapie hinter sich haben? Mir ist das doch wurscht, warum Täte XCV das und jenes gemacht hat, weil in seiner Geschichte … Ich will als zahlender Kunde "unterhalten" werden, psychische und monetäre Probleme habe ich auch genug.

Es gibt keine Geschichtenerzähler mehr. Vorwiegend werden Videoclipping-artige Kurzfristhighlights hervorgekehrt, die Verfolgung von narrativen Darstellungen mit ausgiebigen verblichen Auseinandersetzungen werden abgeschnitten ("Reich und Schön" möchte ich hier als "anti-actionsesque" nennen, was zu einer gewissen Zeit den "Thrill" in der Auseinandersetzung der Protagonisten ausmachte).

Juillard: Nun ja, ist ja auch schon an die 70 Jahre alt. Die digitale Koloerierung, die 100er-Raster/FM-Raster der Drucktechnik lassen dem Auge "keinen optischen Interpretationsspielraum" im Schließen der Weißräume zwischen den Rasterdruckpunkten. Das gehört alles dazu, da bin ich völlig bei Dir.

Einstige Klassiker: Für uns sind es doch jetzt "Klassiker", damals war's übliche Massenware auf höchstem Niveau. Ich lese den M-Band jährlich, leider kann ich nicht mehr in diese "Schublade reinfallen". Erstmals gelesen glaublich 1979, das war damals eine Offenbarung. Die Verfolgungsjagd, wie bei "French Connection", ein "Suspense-Bogen" wie bei Hitchcock. Heute kenne ich schon Zuviel.