Corto Maltese

[Jovis]

Ich werde mein Exemplar im Laufe der Woche abholen. Zum ersten Band: der erreicht nicht eine Regalhöhe mit dem Haus von Samarkand oder der Südseeballade, und auch nicht wirklich irgendeines anderen Prattbandes. Aber der Band hatte schon eine poetische Tiefe, die ich gerne mit nach Hause nehme. Das gibt es so oft nicht. Abenteuer und Historie gibt es genügend, aber auch ein Hauch Corto geht darüber sehr positiv hinaus. Von daher wird auch jeder weitere Band ein Pflichtband sein.

Ich habe eher bei den neuen Echt-Cortos den Eindruck, dass die sich ein wenig zu sehr an den atemlosen Verfolgungsjagden durch das Prattsche Venedig orientieren und darüber der poetische Gehalt zwar in den Bildern noch suiggeriert wird, in den Geschichten selbst aber zu kurz kommt. Hier gilt einerseits dasselbe wie oben: es ist weiterhin meilenweit über dem Abenteuer- und Historienmainstream und damit auch für mich ein Pflichtkauf, aber WENN ich mich entscheiden müsste, würde ich mich ganz spontan und jetzt im Moment für diesen ganz frischen Corto entscheiden. Wobei dazu natürlich der zweite Band erst noch gelesen werden will. "Gelesen oder erlebt?" (HP im legendären "Das große Abenteuer" von Manara )

[Nante]

...aber WENN ich mich entscheiden müsste, würde ich mich ganz spontan und jetzt im Moment für diesen ganz frischen Corto entscheiden.)

Bei mir ist es genau umgekehrt. Gerade der letzte Band "Nacht in Berlin" hat bei mir viele Erinnerungen v.a. an meinen Favoriten "In Sibirien" wachgerufen. (Ja, steinigt mich. Die Südseeballade ist NICHT mein Lieblings-Corto. )

Über den ersten Vives-Band habe ich ja schon mal hier abgelästert, glaube ich. Bevor ich mich da wiederhole, mache ich es wie Du und warte den zweiten Band ab.

[Jovis]

Ich würde mich auch nicht auf die Südseeballade allein einlassen. Die Romanze mit Pandora finde ich herausragend schön und auch die epische Erzählung über Jahre, aber in meinem Herzen ist Samarkand mindestens ebenso vertreten und Sibirien gleich danach. Wobei ich auch die Vielfalt an verschiedenen Geschichten in den 20-Seitern ganz wunderbar finde. Pratts Corto ist schon ein Gesamtkunstwerk.

[Gaucho]

Wer Schwarzer Ozean nicht mochte, wird Die Königin von Babylon wohl leider auch nicht mögen.

[Jovis]

Wer Schwarzer Ozean nicht mochte, wird Die Königin von Babylon wohl leider auch nicht mögen.

Was auch wieder logisch ist. Die Frage ist natürlich, ob der Markt SO schlecht ist, trotz einer atemberaubenden Flut an relativ gleichartigen Abenteuer-, Fantasy-, Thriller und Historien-Comics, dass man sich mit der Serie unbedingt an Corto Maltese anhängen musste. Der poetische Kontext wäre auch so zu entdecken gewesen und rein optisch wäre auch eine Assoziation mit Valerian möglich, dessen Alben ab 13 durchaus auch alle diese politisch-poetische Richtung nahmen. Würde der Held irgendwie heißen, wäre die Attraktivität für Corto-Fans nicht geringer geworden. Alldieweil könnte die strikte Bezugnahme auf Corto manche Fans verärgern und auch ich war skeptisch.

Mit den neuen Bänden der Hauptserie geht es mir aber ähnlich. Das Lückenfüllen zum Beispiel bei der Südseeballade (wie kam Corto auf das Floss) gefällt mir an den neuen Abenteuern am Wenigsten. Mir wären unabhängige Abenteuer lieber und dann müsste es eben nicht zwingend Corto sein. Aber naja, da kann man lange quasseln und streiten. Ist halt jetzt so und qualitativ finde ich beide Serien ziemlich gut. Zu gut um mich über Detailfragen zu ärgern. Dafür lasse ich gerne mehrere andere Abenteuerserien stehen.

[Jovis]

Ich fand Corto Maltese: Die Königin von Babylon ganz ausgezeichnet. Und es ist schon seltsam, dass man Corto als vertraute Persönlichkeit so leicht in der Story wiederfindet, obwohl sich auch alles in mir sträubt. Es ist für mich eigentlich nicht wirklich Corto, obwohl ich ihn klar erkenne. Ein großer Teil von mir wünscht sich solche schönen und poetischen Comics lieber außerhalb eines bereits existierenden Kosmos. Aber diese Verschmelzung mit Corto Maltese funtioniert bei allem Wiederstand trotzdem ganz toll.

Sicherlich ein Stolperstein, den ich selbst allerdings dieses Mal gut ignorieren konnte, ist die Aktualität der Geschichte. Die Pratt-Geschichten hatten für mich - wiewohl nicht für Pratt! - diesen angenehmen, exotischen Abstand. Das geht bei diesen neuen Alternativ-Cortos nicht so einfach. Eine Kollegin von mir, die immer gerne über meine Schulter schaut, wenn ich meine angelieferten Comics auspacke, kommt aus der betreffenden Gegend. Für die ging das gar nicht. Die hat reingeguckt, gesehen dass es eine künstlerische Umsetzung ihrer Vergangenheit ist und den Band sofort wieder zugeklappt, speziell bei den atmosphärischen Bildern zu Beginn. Sie sagte, das geht für sie nicht.

Das ist ein interessantes Problem. Ich finde zum Beispiel den Film "Underground" von Kusturica toll, sie hat sich den ausgeliehen und konnte ihn nicht gucken. Was sagt uns das über den Comic? Über die Leser? Über den Zeitbezug? Ich weiß es nicht, wäre aber hier über einen Austausch durchaus froh. Ich jedenfalls, ganz für mich und - vielleicht nur? - mit großem emotionalen Abstand zur zeitgeschichtlichen Bezugnahme, fand den Band richtig toll. Ich möchte gerne mehr romantische Poesie im Comic, aber vielleicht lieber ohne aktuellen Bezug. Ich weiß zum Beispiel auch - mit vielen Kontakten in die Ukraine - dass ich DEN Corto ggf. dann weglassen werde. Nicht aus Ignoranz, aber ich möchte das kanalisieren. Der Zeitpunkt für Ukraine in der Kunst wird für mich noch 20 Jahre lang nicht gekommen sein. (In den mehr nachrichtenrelevanten Medien natürlich schon.)

Ich muss aber auch zugeben: ich bin Eskapist. Und zwar mit Überzeugung und Vorsatz. Ich brauche und will den Abstand der Kunst zum Leben. Die Kunst soll mich bereichern und diese Bereicherung möchte ich dann in mein Leben zurückführen. Ich möchte Kunst nicht als Spiegel meines Alltags haben. Da käme ich mir vor wie der Mann, der nachts von seinem Schlafzimmer träumt.

[Nante]

Wer Schwarzer Ozean nicht mochte, wird Die Königin von Babylon wohl leider auch nicht mögen.

Ja, hat sich leider bestätigt. Ich hab es noch mal versucht, aber...

Das einzige, was mir im Vergleich zum ersten Band besser gefällt, ist der etwas erwachsener wirkende Corto.
Aber sonst? Irgendwie passen Abu Ghuraib und antikes Babylon nicht so recht zusammen. Dabei stört mich jetzt nicht so sehr die "Aktualität" sondern ... ja, irgendwie das nicht so recht Zueinanderpassen der einzelnen Episoden. Dazu die Sprunghaftigkeit der Handlung (Über die klaffende Lücke von fast einem Jahr zwischen den beiden Hauptschaupätzen sehe ich dabei noch großzügig hinweg.) und die zumindest für mich in dieser Häufigkeit überflüssigen Rückblenden um Semira.

Tja, und an den Zeichenstil und deren "Streckung" der Handlung gekoppelt mit Textarmut habe ich mich ja schon im ersten Band gestört. Also Fazit:
Beide Bände werden im Regal bei den anderen Corto-Bänden bleiben aber ein dritter wird sich nicht mehr dazu gesellen. Da warte ich doch lieber auf den hoffentlich bald folgenden neuen Band von Pellejero & Canales .

[Jovis]

J
Beide Bände werden im Regal bei den anderen Corto-Bänden bleiben

Das ist ja lustig. Ich habe mir für die beiden Bände nämlich vor einer Stunde einen neuen Platz gesucht, weil ich sie aus dem Corto-Kanon herausgenommen habe.

[Nante]

Das ist ja lustig. Ich habe mir für die beiden Bände nämlich vor einer Stunde einen neuen Platz gesucht, weil ich sie aus dem Corto-Kanon herausgenommen habe.

Das lohnt bei mir nicht, da ich praktisch nur ein Regal für Comics reserviert habe. Und dann müßte ich für den "Micky Maltese" ja auch noch einen Extraplatz suchen.

[Jovis]

Den habe ich allerdings beim Pratt dabeistehen.

[uweschmidt]

..werde die Bände verkaufen, auf jeden Fall die von Vives, evtl alle neuen... das ist nicht Corto mehr, ganz richtige Interpretation von euch, wie ich finde..
es ist eben schwer den PRATT nach- und weiter zu erzählen, auch bei der Original Reihe klappt es durch Pellejero mMn nicht...
so ähnlich wie bei Asterix und GOSCINNY... es scheint bei der ..weissen Iris.. so zu sein, als ob es klappt, aber das tut es leider auch nicht, gibt auch da schlaue Analysen hier im Forum wieso das so ist... -
..empfehle den bald kommenden SAINT EXUPERY Band, da kommt das Corto Feeling nochmal auf...

[Jovis]

Ah, okay. Das gibt dann den Ausschlag. Danke!

[Grubert]

..werde die Bände verkaufen, auf jeden Fall die von Vives, evtl alle neuen... das ist nicht Corto mehr, ganz richtige Interpretation von euch, wie ich finde..
es ist eben schwer den PRATT nach- und weiter zu erzählen, auch bei der Original Reihe klappt es durch Pellejero mMn nicht...
so ähnlich wie bei Asterix und GOSCINNY...

So unterschiedlich kann das dann doch sein, von den Goscinny Nachfolgern fand ich keinen bislang wirklich gelungen, die Cortos von Pellejero und Canales finde ich sowohl inhaltlich wie auch graphisch besser, teils deutlich besser.

Bei dem 1. von Vives bin ich mir nicht so sicher, obwohl ich Vives sehr mag.

[uweschmidt]

.. im Prinzip sehe ich das auch so.
die neuen Asterix Bände sind etwas besser als die letzten Bände unter Uderzo, allerdings eben keine Meisterwerke wie einige der Bände von GOSCINNY.

Pellejero und Canales schlagen sich tapfer, grade auch grafisch, aber von Meisterwerken, wie sie PRATT geschaffen hat mit zB Kelten, Südseeballade, Sibirien oder auch Samarkand, sind sie meilenweit entfernt.
..aber natürlich hat auch Pratt nicht nur Meisterwerke geschaffen, sondern vorher viiiiiele Comics gezeichnet; um schliesslich sowas wie einige Corto Meisterwerke zu schaffen.
wer weiss, vielleicht schaffen es Pellejero und Canales ja auch noch... Vives hingegen hat zu viel explizite Gewaltdarstellung, ist für mich auch deshalb nicht mehr Corto ...

bin gespannt wie der EXUPERY Band wird; hatte die Geschichten mal einzeln gelesen, als sie erschienen, aber in der Zusammenstellung mit viel weiterem Material ist es jetzt definitiv einen erneuten Blick wert...

[Jovis]

Pellejero und Canales schlagen sich tapfer, grade auch grafisch, aber von Meisterwerken, wie sie PRATT geschaffen hat mit zB Kelten, Südseeballade, Sibirien oder auch Samarkand, sind sie meilenweit entfernt.

Das finde ich auch genauso! Aber wenn ich die Bände jetzt mal einfach nur als neue Comics betrachte, ohne den Vergleich oder Bezug zu Pratt, dann haben die schon was, was ich sehr gerne zu Hause stehen habe und was mir viele andere neue Bände nicht geben. Ich finde zum Beispiel Tarowean als Geschichte wie Corto auf das Floß kam total daneben und gescheitert, mit ganz viel Lauferei wie in der Venezianischen Legende ohne in der Lauferei Pratts Klasse zu erreichen. Aber wenn man versucht, sich von diesen Bezügen zu lösen, dann hat man eben doch einen poetischen Comic, der über die Masse hinausragt. Finde ich. Und da gesellen sie sich ganz gut zu den Vives-Cortos. Und deshalb habe ich die Bände auch nicht zu den Pratts gestellt, sondern ihnen eine eigene Abteilung im Regal zugewiesen.

[scarpino]

Und deshalb habe ich die Bände auch nicht zu den Pratts gestellt, sondern ihnen eine eigene Abteilung im Regal zugewiesen.

Konsequent. Den Büchern selbst wird's eh egal sein.

[Jovis]

Haha. Das hoffe ich doch. Könnte man auch mal ein Thema zu aufmachen: ich räume ja durchaus immer mal ein bisschen meine Regale um. Macht ihr das auch? Liegt natürlich auch daran, dass, wenn eine Reihe zu groß ist, dann passen zwei Reihen plötzlich nicht mehr zusammen auf ein Regalbrett und damit eröffnet sich die Notwendigkeit einer völlig neuen Anordnung. Ja, das Problem kennt ihr alle, ne? Und Pratt in Farbe und Klassik, das nimmt Platz ein.

[Junior Woodchuck]

Die Südseeballade fängt sehr gut und interessant an und man freut sich nach einer kleinen Pause darauf, weiterzulesen. Zumindest für etwa 2/3 des Bandes war die Story für mich wirklich unterhaltsam, im letzten Drittel hat sie dann geschwächelt. Die Identität des Mönchs war ab der Nennung der Verwandten vorauszusehen und das Ende von Slütter war auch etwas merkwürdig. Erst weist der Kommandant den Wunsch seiner Nichte entschieden ab, entscheidet sich dann aber insgeheim doch dafür, ihn zu erfüllen und bringt sich dadurch selbst in Schwierigkeiten. Okay. Auch die Zeitverhältnisse waren so larifari, Schiffe sind gerade in Sichtweite gekommen, Leute sprechen miteinander und schon sind die Schiffsleute neben ihnen auf der Insel. Corto wird von der Klippe gestürzt, ist anscheinend schwer verletzt, aber dann irgendwie doch nicht.

Warum Rasputin als Figur gewählt wurde ist mir auch nicht klar und lässt mich etwas ratlos zurück bzw. warum dieser bekannte Name und diese bekannte Visage, wenn es wohl doch nicht dieser Rasputin sein sollte? Der Bekanntheit wegen? Ein Typ mit anderem, eigenem Namen und gleichen Charaktereigenschaften hätte doch dasselbe bewirkt.

(...) Ursprünglich hat Pratt die Südseeballade als eine Geschichte 'ohne Helden' gemacht, in der eben verschiedene Charaktere auftauchen, verschwinden, wieder auftauchen, sich Lebenswege kreuzen - und wenn überhaupt, sind Pandora und ihr Bruder die zentralen Figuren (man denke hier auch an Ann und Dan). An eine Serie hat Pratt dabei gar nicht gedacht.
Erst als die Südesseballade veröffentlicht wurde, (Leser-)Reaktionen darauf kamen, kristallisierte sich heraus, dass von allen 'Nebencharakteren' Corto Maltese in der Sympathie der Leser einen besonderen Stellenwert bekommen hatte. Als Pratt dann eine 'neue' Serie schaffen wollte, griff er daher dafür auf Corto zurück und machte ihn zum titelgebenden 'Serienhelden'. Erst dadurch wurde die Südseeballade, quasi rückwirkend Band 1 der Corto-Maltese-Serie, weil die Figur hier eben ihren Ursprung hat. Eigentlich müsste es aber eher 'Band 0' der Serie sein und die ersten Alben-Ausgaben (zB auch die erste deutsche von Carlsen) beginnen ja auch tatsächlich nicht mit der Südseeballade, sondern haben 'Im Zeichen des Steinbocks' als Band 1. (...)

Corto Maltese ist für mich schon deutlich der Hauptheld in dieser Geschichte. Er ist so gut wie immer da und wenn er nicht da ist, sprechen alle über ihn. Er tut keiner Fliege etwas zuleide und möchte alle beschützen und retten. Er wird von Pratt als der charmante Draufgänger mit einem Herz aus Gold dargestellt. Cain und Pandora sind nur die Schutzbedürftigen.

Die Figurenkonstellation erinnert mich stark an Captn. Jack Sparrow und Will und Liz an Cain und Pandora, Barbarossa ist Rasputin. Same same, klar, Fluch der Karibik kam viel später. In dem Zusammenhang sehe ich die Südseeballade auch nicht wirklich als Liebesgeschichte. Pandora, viel jünger als alle Piraten, die einzige (weiße) Frau, von einer Notsituation in die andere getrieben, keine Möglichkeit alleine rauszukommen. Natürlich fahren alle Kerle auf sie ab und sie muss damit klarkommen und wird angezogen (nicht ausgezogen) von der rauen Piratenwelt. Aber von Liebe keine Spur, nur Neugier. Corto spielt auch eher mit dieser Neugier von Pandora, als dass er es ernst meinen würde. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, ist Fluch der Karibik die Südseeballade in cooler.

Wirklich prima sind die Zeichnungen und die Geschichte(n) der Pazifikvölker. Geographische und zeitliche Ungenauigkeiten tun der Lesefreude auch keinen Abbruch. Mal schauen ob ich noch weitere Corto Maltese-Abenteuer lese.

[uweschmidt]

..Du hast einige interessante Sichtweisen auf die "Südseeballade" erwähnt, gibt natürlich noch weitere Aspekte. - Wenn Du Dich vom Corto Feeling leiten lässt, und auch so Bände wie zB Kelten, Sibirien oder auch Samarkand noch gelesen hast, wirst Du evtl. über die Vielschichtigkeit und Komplexität erstaunt sein. Einige Aspekte kann ich auch nicht so gut nachvollziehen bei Corto (zB wenn es sehr magisch-kultisch wird), aber nach mehreren Bänden merkt man, wie komplex und reichhaltig die gesamten Stories und Charaktere sind ... im Prinzip literarisch, und das macht das Faszinierende und Geniale dieser Bücher aus.
Es gibt auch weitere sehr gute Corto Bände, wie zB Argentinischer Tango oder Venezianische Legende, so dass wir es aus meiner Sicht weiterhin mit einer nahezu unerreichten Qualität und Vielzahl an Stories zu tun haben.
Da fällt mir im Prinzip keine andere Serie ein, die das ähnlich gut hinbekommt...

[CHOUETTE]

Sehr schön geschrieben. Kann ich voll und ganz bestätigen. Mit der "Südseeballade" ist es aber aus meiner Sicht ganz besonders. Die gewinnt bei jedem Lesen hinzu. Wenn man über das Wundern hinaus ist, entdeckt man die wahre Vielschichtigkeit. Und beim dritten Lesen noch mal mehr.
Ich vergleiche es gerne mit "Herz der Finsternis". Da geht mir das beim Lesen (und Hören) auch jedes Mal so. Beim ersten Mal ein "Aha, okay", aber dann, nach und nach ... hach.

[Junior Woodchuck]

Bevor ich die Südseeballade noch 2 oder 3 mal lese, werde ich eher noch weiter in diesem Thread zurückblättern und schauen, ob ich etwas zu meinen Fragen entdecke... oder ihr könnt mich gerne genauer über weitere Aspekte und die Vielschichtigkeit in Kenntnis setzen

[Jovis]

Du meinst mit Fragen das, was dir merkwürdig vorkam? Ich war mir nicht sicher ob du das beantwortet haben möchtest. Im Grunde bist du ja hier im typischen Schicksal des Lesers. Du liest Dinge und stolperst an Stellen und Lesen bedeutet durchaus, eine Haltung zu diesem Stolpern zu entwickeln. Ich kann aber mal das ein oder andere fortführen. Es hängt mit davon ab wie alt du bist und wie gut du dich in alten Filmklassikern auskennst aus der Zeit als zum Beispiel bizarre Dinge wie die "Soldatenehre" gang und gäbe waren.

1. Ich sehe das so wie du. Ganz egal wie es geplant oder gedacht war, empfinde ich Corto durch die gesamte Südseeballade hinweg als Heldenfigur. Corto ist für mich immer DIE Heldenfigur überhaupt. Dazu gehören auch Schwächen und aus dieser Erkenntnis hat Stan Lee das Marveluniversum gemacht. Das ist wahrhaftig weder spektakulär noch neu.

2. Der Umgang mit Slütter und seiner Ehre und seiner Reputation nach der Exekution wurde ganz genau so in etlichen alten Klassikern erzählt. Von John Wayne bis Kurosawa. Und um den Zwiespalt zwischen Gesetz und göttlicher Gerechtigkeit geht es bis heute immer wieder. Ein amerikanisches Kernthema neben Familie und Keuschheit. (Ich finde auch, dass dieses Ereignis auf Seite 188 der S+L Ausgabe (beide Versionen) sehr ausführlich noch mal nachbesprochen wird.) Wobei das Schicksal Slütters mich wirklich packen kann, schon allein weil er es ist, der einen Kuss von Pandora erhält. Ich finde diese Sterbeszene ziemlich gut, obwohl mich mein ganzes Leben kein Hauch von Soldatenehre je gestreift hat. Ich bin eigentlich Nihilist. Und da sind wir auch schon wieder bei Corto.

3. Rasputin ist ja sicherlich nicht der historische Rasputin. Und ob hier Pratt oder Rasputin selbst mit der Magie des Namens spielt, das sollte jeder Leser für sich entscheiden. Denn natürlich schwingt im Namen Rasputin ein Zauber mit, der durchaus bei mir ankommt, aber natürlich geradezu pervertiert wird (zum Bösen UND zum Guten, wie ich finde, aber pervertiert auf jeden Fall). Bis hin zum Haus von Samarkand aber seinen Zauber behält. Dort ist Ras Cortos Freund! So bizarr man das auch finden will. Und natürlich atmet Rasputin die russische Seele wie kein zweiter: "Wenn ich Recht habe, und das habe ich ja, dann müssen alle anderen Unrecht haben. Denen zeig ich's."

4. Der zeitliche Ablauf durch die gesamte Südseeballade ist episch. Da können zwischen zwei Panels gut mal Stunden, Tage und Monate vergehen. Und speziell am Ende sind die Vorgänge die du da benennst geradezu stakkatohaft im Zeitablauf. Dass du da stolperst finde ich völlig verständlich, aber das ist definitiv ein künstlerisches Element des Pratt'schen Erzählens. Es gibt die ganze Serie hindurch immer wieder Seiten, wo nichts passiert, aber Zeit vergeht, viel Zeit. Das macht die Poesie der Serie für mich sehr stark mit aus.

5. Ich sehe nicht den geringsten Zusammenhang zwischen Jack Sparrow und Corto Maltese. Aber Disney hatte Glück, dass sie Depp für Sparrow bekommen haben. Da hat er einen Archetyp geschaffen. Der aber mit Corto wirklich gar nichts zu tun hat. Depp hat sich bekanntlich an - war es Keith Richards? Ja, ne? - eben dem orientiert. Und das hat er ja super gemacht. Vergiss die Corto-Assoziation.

[Junior Woodchuck]

Du meinst mit Fragen das, was dir merkwürdig vorkam? Ich war mir nicht sicher ob du das beantwortet haben möchtest. Im Grunde bist du ja hier im typischen Schicksal des Lesers. Du liest Dinge und stolperst an Stellen und Lesen bedeutet durchaus, eine Haltung zu diesem Stolpern zu entwickeln. Ich kann aber mal das ein oder andere fortführen. Es hängt mit davon ab wie alt du bist und wie gut du dich in alten Filmklassikern auskennst aus der Zeit als zum Beispiel bizarre Dinge wie die "Soldatenehre" gang und gäbe waren.

Hm, ja schon, ich gehöre auch zu denen, die sich über begründete Antworten auf ihre Fragen und Unklarheiten freuen. Oder über Feedback zu Beiträgen generell, das bekomme ich tatsächlich nicht sehr oft hier, geht aber wahrscheinlich den meisten so. Wenn ich etwas zu einem Thema schreibe, sei es bei Comics, über Filme oder zu Spielen, dann aus reinem Interesse. Den Spam-Bereich mal ausgenommen, aber das dürfte eigentlich klar sein, denke ich, das ist wirklich nur zum Spaß. Die Frage zum ‚warum‘ des Namens und Aussehens Rasputins war z.B. auch nicht rhetorisch gemeint. Vielleicht weiß ja jemand tatsächlich näheres dazu?

1. Ich sehe das so wie du. Ganz egal wie es geplant oder gedacht war, empfinde ich Corto durch die gesamte Südseeballade hinweg als Heldenfigur. Corto ist für mich immer DIE Heldenfigur überhaupt. Dazu gehören auch Schwächen und aus dieser Erkenntnis hat Stan Lee das Marveluniversum gemacht. Das ist wahrhaftig weder spektakulär noch neu.

Ja, deshalb auch das Zitat von ZAQ. Ich meine, ich hab die Geschichte jetzt nur einmal gelesen und das erst im Jahr 2024, aber fand das recht deutlich.

2. Der Umgang mit Slütter und seiner Ehre und seiner Reputation nach der Exekution wurde ganz genau so in etlichen alten Klassikern erzählt. Von John Wayne bis Kurosawa. Und um den Zwiespalt zwischen Gesetz und göttlicher Gerechtigkeit geht es bis heute immer wieder. Ein amerikanisches Kernthema neben Familie und Keuschheit. (Ich finde auch, dass dieses Ereignis auf Seite 188 der S+L Ausgabe (beide Versionen) sehr ausführlich noch mal nachbesprochen wird.) Wobei das Schicksal Slütters mich wirklich packen kann, schon allein weil er es ist, der einen Kuss von Pandora erhält. Ich finde diese Sterbeszene ziemlich gut, obwohl mich mein ganzes Leben kein Hauch von Soldatenehre je gestreift hat. Ich bin eigentlich Nihilist. Und da sind wir auch schon wieder bei Corto.

Soldatenehre und Angst um die Reputation gibt es heute nicht mehr? Warum es für Slütter von Bedutung ist, oder besser gesagt, warum es für seine Familie und Nachkommen wichtig ist, ist offensichtlich. Mörder oder kein Mörder. Warum aber der Kommandant seine Ehre aufs Spiel setzt, für jemanden, den er kaum kennt und der zwar nur Befehle befolgt, diese aber dennoch ausgeführt hat, finde ich etwas merkwürdig. Aber schön, möglich ist es. Mich hat es halt nicht gepackt und darüber, ob er einen Kuss von Pandora bekommt oder Pandora einen Kuss von Slütter… darüber kann man auch streiten. Für mich sah es nach letzterem aus. Wer würde kurz vor seinem Tod nicht noch ein hübsches Mädchen küssen, ob sie will oder nicht? Ja, ich denke aber auch, dass Pandora es wollte, siehe meinen Beitrag zur Neugier Pandoras oben.

4. Der zeitliche Ablauf durch die gesamte Südseeballade ist episch. Da können zwischen zwei Panels gut mal Stunden, Tage und Monate vergehen. Und speziell am Ende sind die Vorgänge die du da benennst geradezu stakkatohaft im Zeitablauf. Dass du da stolperst finde ich völlig verständlich, aber das ist definitiv ein künstlerisches Element des Pratt'schen Erzählens. Es gibt die ganze Serie hindurch immer wieder Seiten, wo nichts passiert, aber Zeit vergeht, viel Zeit. Das macht die Poesie der Serie für mich sehr stark mit aus.

Wie gesagt, das stört den Lesefluss nicht, auch wenn es auffällt. Und auffallen tut es.

5. Ich sehe nicht den geringsten Zusammenhang zwischen Jack Sparrow und Corto Maltese. Aber Disney hatte Glück, dass sie Depp für Sparrow bekommen haben. Da hat er einen Archetyp geschaffen. Der aber mit Corto wirklich gar nichts zu tun hat. Depp hat sich bekanntlich an - war es Keith Richards? Ja, ne? - eben dem orientiert. Und das hat er ja super gemacht. Vergiss die Corto-Assoziation.

Bei 5. reden wir aneinander vorbei. Ich meinte die Figurenkonstellation Jack – Corto, Will – Cain, Elizabeth – Pandora, Barbossa – Rasputin erinnert mich stark an Fluch der Karibik. Ich rede nicht davon, dass Johnny Depp Corto Maltese als Inspiration genommen hat. Du siehst den Zusammenhang nicht, ich schon, daher kann ich das nicht vergessen. Das ist tatsächlich auch etwas herablassend formuliert von dir. Aber halb so wild, ich mag noch weit vom Senior sein und das Junior kann irreführen.

[Jovis]

Aber herablassend sollte es nicht klingen. Tut mir leid.

Tja. Der Slütter-Part. Natürlich gibt es heute bestimmt auch noch Soldatenehre. Aber in Filmen sehe ich das eher in alten Klassikern. Ab "A Few Good Men" hat man ja schon post-modernen Zugang zu dem Thema. Ich denke das halt so, dass ein Vorgesetzter durchaus ähnliche Gefühle hat, wie Eltern sie vielleicht haben, also nicht nur die Ehre der Kompanie im Blick, sondern auch die jedes einzelnen Kindes? Und da gibt es dann unterschiedliche Zugänge zu Situationen. Im Interesse der Wahrheit und der Ehre der Kompanie muss die des Einzelnen zurück stehen. Aber dann plötzlich denkt man nochmal nach, an Hinterbliebene, an Kinder und Eheleute. Und kann dann auch nicht hart bleiben.

Muss allerdings zugeben, dass ich jetzt nicht kompetent in dem Thema bin. Zu der Slütter-Szene habe ich einen emotionalen Zugang und irgendwie leuchten mir die Ereignisse völlig ein. Da jetzt drüber zu diskutieren, da bekäme ich Angst, dass ich mir diesen emotionalen Zugang kaputtrede. Und würde auch dann den Band nochmal lesen wollen.

[Junior Woodchuck]

Ja kein Problem. Ich bin auch auf keiner Mission alte Klassiker zu zerreißen, sondern möchte nur meinen Comichorizont als Fan erweitern und mache meine Feststellungen. Jeder hat seine Lieblinge